Den Augiasstall ausmisten
Vielen Menschen gelingt es, sich im Zeitablauf so zuzumüllen, dass es kaum noch zu ertragen ist. Für Außenstehende, versteht sich. Das aus dem Englischen entlehnte Messie-Syndrom (Unordnung, zwanghaftes Horten) bezeichnet Defizite in der Fähigkeit, die eigene Wohnung ordentlich zu halten, die Alltagsaufgaben zu erfüllen, und lässt auf eine ernsthafte seelische Störung schließen. In der Öffentlichkeit werden Menschen mit dieser Erkrankung oft sehr abfällig als Messies bezeichnet. Doch das ist eine Seite der Medaille der Redensart. Kaum anders sieht es in manchen Behörden und Unternehmen aus. Dabei geht es jedoch in der Regel weniger um Dreck und Unrat, sondern um Korruption und Misswirtschaft. Diese Kandidaten werden allerdings keineswegs mit Häme bedacht, sondern zumeist mit einem beeindruckenden Zapfenstreich oder goldenen Handschlag. Der Dreck an ihrem Stecken, die unsaubere Weste wird schöngeredet. Misswirtschaft und angerichteter Schaden werden unter den Teppich gekehrt. Beispiele gibt es in der Tat zuhauf, zeitnahe und weniger aktuelle.
"Wahlkampf hin oder her, die Bush-Administration muss sofort die Schuldigen zur Verantwortung ziehen und den Augiasstall ausmisten." - "Es ist zu hoffen, dass es nicht nur zu einzelnen Personalentscheidungen kommt. VW sollte die Chance nutzen, um den ganzen Augiasstall auszumisten und einen völligen Neuanfang zu machen."
Die Redensart "Den Augiasstall ausmisten" stammt aus der griechischen Mythologie. Nach der hatte Herakles (Herkules), ein Sohn des Zeus und der Alkmene, im Auftrag seines Vetters, König Eurystheus, zwölf legendäre Aufgaben zu vollbringen. Eine Aufgabe war, die mit 3000 Rindern bestückten und seit 30 Jahren nicht mehr gesäuberten Stallungen des Königs Augias als besonders entehrende Arbeit an einem Tag zu reinigen. Das gelang ihm, indem er zwei Flüsse hindurchleitete. Die Redensart findet sich in allen europäischen Sprachen. Ist also eine europäische Wendung. Aus gutem Grund, wenn man die zweite Seite der Medaille bedenkt.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 04.2015, S. 11.