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 Redewendungen
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Aus dem Stegreif

Die Redewendung "Aus dem Stegreif" wird verwendet, wenn jemand etwas unvorbereitet, ohne Vorlage, improvisiert möglich ist. Beispiele dafür sind Stegreifkünstler (Improvisator), Stegreifrede (improvisierte Rede ohne Vorbereitung), Stegreifdichtung (aus dem Stegreif verfasste Dichtung), Stegreifbühne (Stegreiftheater), Stegreifdichter. Die Schulordnung für die Gymnasien in Bayern vom 23. Januar 2007 beinhaltet als "Kleine Leistungsnachweise" unter anderem: "Stegreifaufgaben werden nicht angekündigt, beziehen sich auf höchstens zwei unmittelbar vorangegangene Unterrichtsstunden. Die Bearbeitungszeit soll höchstens 20 Minuten betragen." (§ 23 II 2 GSO) Und wer diese Aufgaben nicht aus dem Stegreif lösen kann, hat in Bayern ziemlich schlechte Karten, die im Halbjahreszeugnis sichtbar werden.

Der in die beiden Silben "Steg" und "reif" zerlegbare "Stegreif" (mittelhochdeutsch "stegereif", althochdeutsch "stegareif") ist eine bis in das 18. Jahrhundert verwendete Bezeichnung für den sogenannten "Steigbügel". Die darin enthaltene Silbe "reif" bedeutete im Althochdeutschen Seil oder Strick. Stegreif meinte somit anfänglich wohl eine am Sattel befestigte Schlinge für den Fuß zum leichteren Hinaufsteigen auf das Pferd. Und die alte Verbindung mit "im" (im "Stegreif") verdeutlich, was damit zunächst gemeint war, nämlich etwas tun, während der Fuß noch im Stegreif (Steigbügel) ist. Ohne vom Pferd abzusteigen. Im Duden findet sich "Stegreif" in der "Liste der rechtschreiblich schwierigen Wörter", weil das Wort zu der Assoziation Stehen und Greifen verführt und infolgedessen "Stegreif" nicht allzu selten zu "Stehgreif" konvertiert, und zwar keineswegs nur in Schülerkreisen.

Die Fügung "Aus dem Stegreif" war bereits im 17. Jahrhundert bekannt und ist auch heute noch geläufig, wie die erwähnten Beispiele zeigen, wird jedoch vorwiegend in intellektuellen Kreisen verwendet. Konnte einst "Aus dem Stegreif" wörtlich genommen werden, nämlich etwas tun oder vortragen, ohne vom Pferd zu steigen, meint die übertragene Bedeutung, etwas ohne Vorbereitung, langes Überlegen tun oder vortragen, improvisieren. Schon Goethe wusste: "Aus dem Stegreif die Reime zu machen, wie leicht war das!" - Und nicht anders Lessing: "Jedes große Genie redet alles aus dem Stegreif." Die Wendung samt der erwähnten Komposita (Zusammengesetztes, substantiviertes) sind also das Lebenselixier für "Stegreif", der unstrittig ohne diese sprachlichen Patenschaften längst in Vergessenheit geraten wäre.

* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 03.2019, 13. Jg., S. 11.


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