Jemandem einen Bärendienst erweisen
Es geschieht wirklich tagtäglich in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Weil wir alle so hilfsbereit sind, sind wir sogar dann und wann selbst daran beteiligt. Immer mit den besten Absichten. Versteht sich von selbst. Da hilft man der schon etwas wackeligen, gebrechlichen Dame über die Straße und ist dabei so aufmerksam und konzentriert, dass das sehr geschwind herannahende Automobil unbemerkt bleibt. Natürlich kommt die ach so nette alte Dame dank unserer Hilfe über die Straße. Aber in welchem Zustand? Das zeigt auch die Fabel vom Affen und dem Fisch: "Lass dir von mir aus dem Wasser helfen, oder du wirst ertrinken, sagt der freundliche Affe, und setzt den Fisch fürsorglich und liebevoll auf den nächsten Baum."
Es geht bei dieser Redewendung darum, einem anderen mit den besten Absichten einen Dienst zu erweisen, der sich in sein Gegenteil verkehrt. - Dem liegt die Fabel "Der Bär und der Gartenliebhaber" von Jean de La Fontaine zugrunde. In dieser Fabel erweist der Bär dem Gärtner treue Dienste. Hat ihn so richtig in sein Herz geschlossen. Eines Tages ergab es sich allerdings, dass sich eine ziemlich lästige Fliege auf die Nasenspitze des schlafenden Gärtners setzte, die der Bär, trotz all seiner Bemühungen, mit seiner Pranke beim besten Willen nicht verscheuchen konnte. Da packte ihn eine grimmige Wut, und er schmetterte mit Wucht einen Stein auf die Fliege. Mit Erfolg, denn die Fliege war sofort tot. Aber der Gärtner ebenso.
Diese und ähnliche Fabeln sind über ganz Europa verbreitet. - Wir finden sie bereits bei Augustus Brutii Grantavus Phaedrus, bei Christian Fürchtegott Gellert und Wilhelm Busch. Und in all diesen Lehrgeschichten spielt die Fliege eine gewichtige Rolle. Von daher ist es ganz gewiss die durchaus löbliche Absicht der Dichter, dass jeder Mensch, bevor er wieder jemandem etwas Gutes angedeihen lässt, an die Fabel "Der Bär und der Gartenliebhaber" denken sollte, zumindest aber an eine kleine, lästige Fliege. Wenn die Menschen das stets beherzigen und im Auge behalten, könnte die Redensart "Jemandem einen Bärendienst erweisen" vielleicht bereits in der nahen Zukunft in völlige Vergessenheit geraten.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 15.2009, S. 11.