Immer nur Bahnhof verstehen
Es gibt wirklich sehr unangenehme Zeitgenossen. Die sagen das einem tatsächlich einfach so völlig ungeschminkt ins Gesicht: "Was willst du eigentlich von mir? Ich verstehe immer nur Bahnhof?" Was soll man damit anfangen, mit diesen Menschen? Und was soll das überhaupt heißen, wenn jemand nur Bahnhof versteht und vermutlich auch sonst nichts zuwege bringt? In diesen Situationen kann einem schon in den Sinn kommen ... Aber jetzt wird es doch ein wenig überheblich. Und das ist nicht respektvoll anderen Menschen gegenüber. Selbst denen gegenüber nicht, die unentwegt Bahnhof verstehen. Wenn jemand nur Bahnhof versteht, hat das manchmal einen guten Grund. Wie zugleich zu vermuten und zu hoffen ist. Die soll doch zuletzt sterben, diese Hoffnung. Also bitte nicht zu früh aufgeben. Vielleicht geht ein Licht auf mit der Herkunft dieser oft gehörten und selten verstandenen Wendung. Wer weiß?
Die Redensart "Immer nur Bahnhof verstehen" wird verwendet, wenn jemand etwas nicht richtig versteht oder rein gar nicht begreift. Auf der Suche nach der Herkunft dieser Wendung kann man sich den Umweg über die Klassenzimmer des deutschen Schulwesens sparen. Denn ihre Herkunft wird an den kriegsmüden Soldaten des Ersten Weltkrieges festgemacht. Für sie bedeutete Bahnhof die Entlassung vom Wehrdienst. Bedeutete Heimkehr. Heim zu Weib und Kind. Dafür stand der Bahnhof und war für diese Menschen ein magisches Wort. Daneben hat nichts mehr Platz im Kopf. Nichts anderes war in dieser Situation vorstellbar. Eine andere Sicht zeigt auf die Lebensprobleme von Menschen, die jemand so in Besitz nehmen können, dass er für jedes andere Thema kein offenes Ohr mehr haben kann. Zusammenfassend könnte man somit sagen: In beiden Fällen können diese Menschen nichts anderes mehr hören! Wenn uns also wieder einmal jemand begegnet, der immer nur Bahnhof versteht, sollten wir ihm mit dem uns durchaus möglichen Respekt den Weg zu dem Bahnhof zeigen, um den es geht.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 08.2014, S. 11.