So einen Bart haben
In einem populären Songtext von Klaus Lage heißt es: "Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert. Tausend und eine Nacht, und es hat ZOOM gemacht." Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass man manches immer wieder mit viel Freude hören kann. Selbst wenn es aus der Kehle von Herbert Grönemeyer quillt. Doch das ist, jedenfalls bei uns Normalen, keineswegs immer so. Die Erfahrung bleibt kaum jemand lebensgeschichtlich erspart. Wer hat noch nie mit allen zur Verfügung stehenden Raffinessen einen Witz, einen Scherz sorgsam vorgetragen und statt des erwarteten wiehernden Gelächters aus der bereits weinseligen Runde nur Hohn und Spott geerntet. "Also weißt du. Das soll ein Witz sein? Den kennt doch jeder. Der hat doch schon längst so einen Bart. Der ist freilich wirklich schon mehr als angestaubt."
Der in diesen Gemeinheiten mitgeführte Bart gilt als Zeichen des Alten und Verbrauchten. Er steht für alles, was schon seit langer Zeit auch allgemein bekannt ist. Mit dem man selbst den Hund nicht mehr hinter dem Ofen hervorlocken kann. Obwohl er ansonsten ein freundlicher Zeitgenosse ist und ein durchaus gutes Gemüt hat und in der Regel fast alles mitmacht. Auch wenn ich mich noch so anstrenge und verbiege und so weiter. Auch wenn ich selbst immer wieder schallend darüber lachen kann. Es nützt nichts! Das macht es nicht besser. Ein Witz mit einem langen Bart? Eine bekannte Begebenheit? Das wird in der Tat schwierig! Wie soll man damit die Zuhörerschaft begeistern? Vielleicht, wenn sie mitlachen müssen? Weil man der Boss ist und klammheimlich mit dem Abhängigkeitsverhältnis punkten kann. Doch selbst dann. Achten Sie endlich einmal darauf. Dreht sich selbst bei den üblichen Verdächtigen und den bekannten Schleimern manches Augenpaar himmelwärts. Kerzengerade zur Saaldecke.
Diese keineswegs überstrapazierte und gleichwohl meist sehr abwertend zumeist auch noch von einem gelangweilt hämischen Lächeln flankierte Redensart "So einen Bart haben" soll in einer Zeit entstanden sein, als der Vollbart aus der Mode gekommen ist und jemand, der ihn dennoch weiterhin trug, als altmodisch und rückständig angesehen wurde. Nur alte Männer trugen noch den Vollbart, der so zum Inbegriff des alten und Rückwärtsgewandten wurde. Was heutzutage kaum anders ist, wenn's auf manch anderes generalisiert wird.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 09.2014, S. 11.