Wie aus dem Ei gepellt
Als durchaus beliebte Floskeln bereichern einige von Menschen benötigte Nahrungsmittel unsere Kommunikation und wurzeln meist in einer Zeit, in der die Kartoffeln noch nicht im Supermarkt geerntet wurden. - Der Roman Die Wand aus der Feder von Marlen Haushofer, eine weibliche Robinson Crusoe Geschichte in den österreichischen Bergen, beschreibt diese längst vergangene Zeit eindringlich. - Zu diesen Phrasen gehören beispielsweise: "Alles in Butter", "Es geht um die Wurst.", "In die Pfanne hauen.", "Da haben wir den Salat.", "Er steckt seine Nase in jeden Quark.", "In den sauren Apfel beißen."
Diese Floskeln begegnen uns also in der Kommunikation, ebenso in Zeitungen, Ratgebern, Werbung. Ihr Zweck erschließt sich zumeist aus dem Kontext und der Begleitmusik, nämlich aufwerten, abwerten, resümieren, generalisieren, manipulieren, sprachlichen Nebel verbreiten. Und sie kommen häufig in vielerlei Gestalt des Weges: Das Ei des Kolumbus (verblüffend einfache Lösung), Das Ei will klüger sein als die Henne (jung gegen alt), Ungelegte Eier (nicht spruchreif), Ach du dickes Ei (Überraschung), Das ist ein dickes Ei (unangenehm), Dicke Eier haben (Bedürfnis nach Geschlechtsverkehr), Das Ei unterm Huhn verkaufen müssen (Geldnot), Ein Ei legen (etwas ausbrüten), Jemandem die Eier polieren (verprügeln), Jemandem die Eier schleifen (hart rannehmen), Jemandem auf die Eier gehen (lästig werden), Für einen Apfel und ein Ei (gutes Geschäft), Behandeln wie ein rohes Ei (Vorsicht!), Wer gackert, muss auch ein Ei legen (zeig es), Wie auf Eiern gehen (stolzieren), Das Gelbe vom Ei (das Beste), Sich gleichen wie ein Ei dem anderen (unterschiedslos), Goldene Eier legen (das wünschen viele), Auf etwas sitzen wie die Glucke auf den Eiern (nicht loslassen können), Schmecken wie Titte mit Ei (wer's mag), - "Wie aus dem Ei gepellt."
Während die meisten der Phrasen universell verwendbar sind, ist "Wie aus dem Ei gepellt" gewissermaßen bereits vorbelegt. - Schließlich hebt sie einen Menschen (oder eine Sache) ins Rampenlicht, der wie das von der Schale befreite Ei makellos ist oder so wirken sollte wie der jungfräulich erwachende Tag: - Die Rede ist hier von der frisch renovierten Wohnung, dem feschem Anzug, einem schicken Kostüm, dem polierten Automobil, der gestylten Haarpracht. Doch ob unter dem ach so wundervoll strahlenden Eiweiß auch ein wenig Dotter existiert, ob es mehr Schein als Sein ist, ob unter dem strahlenden Eiweiß wenigstens ein paar Kartoffeln zu ernten sind, diese Frage verblasst zumeist im Blendwerk dessen, was beabsichtigt ist.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 05.2009, S. 11.