Es jemandem stecken
Das Wesen der bekannten Redensart "Es jemandem stecken" hat zwei Gesichter. Beide mit einem regelmäßig äußerst unangenehmem Bei- und Nachgeschmack. Der haften bleibt. Und so soll es auch sein! Eine Redensart, die zumeist außerordentlich negativ aufgeladen ist.
Einerseits geht es darum, jemandem ungeschminkt und unmissverständlich die Meinung zu sagen. Oder vielleicht besser, ihm die Meinung "zu geigen", ihn zu tadeln. Teilweise auch, es jemandem mehr oder weniger nebulös, also nur andeutungsweise, zu verstehen zu geben.
Dazu findet sich im "Duden Redensarten" das Beispiel: "Ich muss es noch meinen Eltern (irgendwie) stecken, dass ich Schulden gemacht habe." - Was für die Eltern wohl eher keine besonders gute Nachricht sein dürfte. Was diesen vermutlich wohl eher missfallen dürfte.
Somit scheint das Wesen dieser Redensart tatsächlich darin verwurzelt zu sein, jemanden etwas Geheimes wissen zu lassen oder jemandem unverblümt die Meinung zu sagen.
"Wie kommt er eigentlich dazu, solche Lügen über mich zu erzählen? Dem werde ich aber mal gehörig die Meinung stecken!" - "Eine angebliche Freundin steckte ihr, ihr Mann treffe sich regelmäßig mit anderen Frauen, während sie im Büro sitze." - "Ein Mitarbeiter hat ihm gesteckt, dass es bekanntlich andauernd Probleme wegen seines Projekts gegeben habe."
Andererseits wird die Auffassung vertreten, worauf ebenfalls der "Duden Redensarten" verweist, die Redensart habe ihren Ursprung in dem Pflock, den man jemandem in den Weg steckte. Also im Verein mit der alten Wendung "jemandem etwas in den Weg stecken" könnte diese Redensart auch meinen, jemandem absichtsvoll Hindernisse in den Weg zu legen.
Belegt wird diese Deutung in dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Bd. 17, Sp. 1288 bis 1348, Leipzig, Mai 1873):
"d) einem etwas in den weg stecken, ihm ein hindernisz bereiten, ähnlich wie unten einem etwas in den weg legen, d. h. auch balken, reisighaufen und grosze steine; wie einem miszliebigen der weg verzäunt werden konnte. bildlich: hat euch gott manchmal ein kreuz in weg gesteckt, so seyd ihr ... drüber hin geschritten. Stoppe Parnasz (1735) 403."
Lutz Röhrich betont in seinem "Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten" (Freiburg im Breisgau: Verlag Herder, 2003, S. 1530) ebenfalls diese beiden Seiten der Redensart. Nach diesem bekannten Experten wird die Redensart "Es jemandem stecken" (Bei Röhrich: "Es einem stecken"!) in zweierlei Bedeutung verwendet. Einmal im Sinne von jemandem etwas heimlich mitteilen, das meine, ihm eine Nachricht zuzustecken. In diesem Sinne in Schillers ‚Kabele und Liebe', wo der alte Miller gesagt habe: "Hätt' gleich alles seiner Exzellenz, dem Herrn Papa, stecken sollen". Ebenfalls nach Lutz Röhrich soll die Redensart in der Sitte der Femgerichte verwurzelt sein, Vorladebriefe mit einem Dolch am Tor des zu Ladenden anzuheften. Auf ähnliche Weise, vom ‚anstecken' an ein Tor oder eine Anschlagtafel, seien die ‚Steckbriefe' zu ihrem Namen gekommen. - In anderer Bedeutung werde die Redensart gebraucht, wenn man jemandem unmissverständlich zu verstehen geben wolle, dass er etwas nicht wieder zu tun habe, auch im Sinne von jemand die Meinung sagen. Das dahinterstehende Bild meine: ihm Einhalt tun, indem man ihm einen Pflock in den Weg stecke. Dies werde auch durch die niederdeutsche Redensart ‚Ik will di en Sticken stecken' bekräftigt. Damit korrespondiere die ältere bairische Redensart ‚einem einen Halt stoßen', das, immer noch nach Röhrich, dem lateinischen ‚insidias ponere alicui' entspreche.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 10.2020, 14. Jg., S. 11.