Etwas ausbaden müssen
Die Redensart "Etwas ausbaden müssen" wird auch heute noch oftmals verwendet, sobald jemand die Folgen von etwas tragen muss, was ein anderer oder er selbst angerichtet hat.
"Die Schuldenkrise ist besorgniserregend. Eine Generation wird es ausbaden müssen. Ob es die Kinder, die Enkel oder wir selber sind, ist sicher noch offen." - "Es ist ärgerlich und nicht mehr hinnehmbar, dass die Autofahrer immer wieder die Versäumnisse des Senats ausbaden müssen." - "Mindestlöhne helfen besonders den Kommunen. Unsere Kommunen dürfen nicht die nur allzu bekannten gesamtgesellschaftlichen Fehlentwicklungen alleine ausbaden."
In der übertragenen Bedeutung ist die Wendung bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war es üblich, dass sich mehrere Menschen das Badewasser für die Körperreinigung teilten. Auch in den öffentlichen Badehäusern, die vor allem im Mittelalter beliebt und weitverbreitet waren. In großen Städten existierten mehrere und selbst in den kleineren Gemeinden fehlten sie nicht. Dort musste sich der letzte Badegast nicht nur in einer lauwarmen trüben Brühe waschen, sondern auch das bereits von mehreren Badenden für die Körperreinigung benutzte Badewasser ausgießen und die Wanne reinigen.
Er musste also ausbaden, was nicht nur er, sondern auch andere angerichtet hatten. Besonders die Kirche brandmarkte die Badestuben als unsittliches Teufelszeug. Denn zum Leidwesen der Pfaffen waren die Badestuben auch so beliebt, weil dort ein reger Bordellbetrieb stattfand. Somit waren diese Einrichtungen ideale Brutstätten für die Verbreitung von Pest und Syphilis.
Viele Badegäste hatten mithin das zweifelhafte Vergnügen, das Wesen der Redensart "Etwas ausbaden müssen" auch körperlich zu erleiden. Die unaufhaltsame Verbreitung der Pest und der Syphilis führte dazu, dass die Badestuben nach und nach geschlossen wurden. Erst im 19. Jahrhundert rückte die Bedeutung der öffentlichen Badeanstalten für die Körperhygiene, die Volksgesundheit und die Körperertüchtigung wieder in das öffentliche Bewusstsein.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 01.2015, S. 11.