Sankt-Florians-Prinzip
Die Wurzeln dieses sich allseitiger Beliebtheit erfreuenden Prinzips finden sich zumeist in der Herkunftsfamilie. Dort lernt bereits der kleine Fritz manches fürs Leben und die kleine Erna ebenso. - "Wir sollten mal den Müll wieder runterbringen", hören sie den Vater zur Mutter sagen und erleben, was diese Aussage genau bedeutet: "Die liebe Mutter macht sich bereits auf den Weg." - Fortsetzen tut sich das in Schule, Beruf und Gesellschaft: Auch dort werden nur allzu oft viele Aufgaben und Dinge von dem einen, den es angeht, der dafür zuständig ist, auf den anderen verschoben oder abgeschoben - getreu dem "Sankt-Florians-Prinzip".
Florian lebte um 300 nach Christi in Österreich, konvertierte zum Christentum und soll versucht haben, von den Römern in Haft genommene Christen zu befreien. Dabei wurde er erwischt und samt einem Mühlstein von einer Brücke in die Enns geworfen. - Nach einer Legende soll er als Kind ein brennendes Haus mit einem winzigen Kübel Wasser gelöscht haben, ist Schutzpatron der Feuerwehren und wird zur Abwendung von Feuer angerufen. So findet sich unter einer Floriansfigur in Tirol eine Inschrift, die zugleich das "Sankt-Florians-Prinzip" offenbart: "Heiliger Florian, beschütz dies Haus, zünd andre an." - Handelt jemand danach, werden Bedrohungen oder Aufgaben nicht gelöst, sondern verschoben. - Dass sich die Menschen allerdings keineswegs blindlings auf diesen Schutzpatron verlassen, vielleicht schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht haben, belegt ein Spruch in Franken: "Heiliger Florian, du sakrischer Schwanz, wir brauchen dich nimmer, wir haben Assekuranz."
Verwandt ist das St.-Florians-Prinzip mit dem "Nimby", dem Akronym für "Not In My Back Yard" (Nicht mit mir; nicht vor meiner Haustür, hinter meinem Haus.), das seit Anfang der 1980er Jahre populär ist. - Ebenso wie jemand, der nach dem St.-Florians-Prinzip handelt, verschiebt der Nimby seine Probleme, wie Mobilfunkmasten, Kraftwerke, radioaktive Abfälle und andere unangenehme Dinge, nach dem ehernen Prinzip: "Nicht vor meiner Haustür!"
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 06.2009, S. 11.