Sich mit fremden Federn schmücken
Die Redensart "Sich mit fremden Federn schmücken" meint, die Leistung anderer als eigene ausgeben. Beispiele aus allen Zeiten existieren in Hülle und Fülle. Man könnte sagen, es ist geradezu eine Eigenart des Menschen, sich mit fremden Federn zu schmücken. Obwohl die Empörung bei einigen, keinesfalls bei allen, beachtlich ist, wenn es dann auffliegt. Und zwar besonders bei der schreibenden Zunft, den Agenten der Presse, die geradezu davon leben.
Aus jüngerer Zeit sind beispielsweise die Plagiatsvorwürfe bestens bekannt. So wurde etwa dem früheren Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am 23. Februar 2011 der Doktorgrad aberkannt. Nach dem Vorwurf des Bremer Juraprofessors Andreas Fischer-Lescano hat Guttenberg erhebliche Teile seiner Dissertation aus fremden Texten ohne Angabe der Quellen abgeschrieben. Wegen des hohen öffentlichen Drucks, im Wesentlichen aus den Massenmedien stammend, trat Karl-Theodor zu Guttenberg am 1. März 2011 von seinen politischen Ämtern zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte Bedauern über den Rücktritt des CDU-Kronprinzen, der bis zuletzt den Plagiatsvorwurf bestritten hatte.
Ein weiteres Beispiel ist die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan. Deren Dissertation "Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" aus 1980 geriet im Mai 2012 unter Verdacht. Schavan soll auf 94 von 325 Seiten ihrer Dissertation zahlreiche Textstellen ohne Angabe der Quellen übernommen haben. Nach der immer rückwirkend wirksamen Aberkennung des Doktorgrades am 5. Februar 2013 durch die Universität Düsseldorf (Philosophische Fakultät) erfolgte am 9. Februar 2013 der Rücktritt von ihrem Ministeramt, den ihre Parteifreundin Angela Merkel "schweren Herzens" zur Kenntnis genommen hat. Die Idee, den Doktorgrad auf dem Rechtsweg wiederzuerlangen, wurde von Schavan nach der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf aufgegeben. Im Jahr 2014 verleiht die Universität Lübeck der einstigen Ministerin Schavan die Ehrendoktorwürde, die nach ihrem Rücktritt seit Juli 2014 als Botschafterin beim Heiligen Stuhl für die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl (Oberhaupt der katholischen Weltkirche) zuständig ist.
Die Redensart selbst geht auf die Fabel "Die stolze Krähe und der Pfau" des römischen Dichters Gaius Iulius Phaedrus ( 20 v. Chr. - 50 n. Chr.) zurück. Dort lesen wir: Damit es nicht beliebt, sich fremder Güter zu rühmen und das Leben lieber mit seinem Aussehen zu verbringen, überlieferte uns Äsop (gr. Dichter, um 600 v. Chr.) dieses Beispiel: Die sich durch unnützen Stolz aufblasende Krähe hob die Federn, welche dem Pfau heruntergefallen waren, auf und schmückte sich (damit). Dann verachtet sie ihre Artgenossen und mischt sich unter die schöne Schar der Pfauen. Jene entreißen dem schamlosen Vogel die Federn und vertrieben ihn mit den Schnäbeln. Die böse misshandelte Krähe begann betrübt zu ihren eigenen Artgenossen zurückzugehen, von denen sie zurückgewiesen und heftig beschimpft wurde. Da sagte eine von ihnen, die sie früher verachtet hatte: "Wenn du mit unseren Plätzen zufrieden gewesen wärst, und du hättest ertragen wollen, was dir die Natur gegeben hatte, hättest du weder diese Schmach erfahren, noch hätte dein Unglück die Zurückweisung gespürt."
In Deutschland wurde diese Fabel durch "Die Pfauen und die Krähe" von Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) bekannt. Und sie ist auch in vielen anderen Ländern weitverbreitet, was in der Tat vermuten lässt, dass sich Äsops Krähen nicht nur in Deutschland heimisch fühlen.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 03.2017, S. 11.