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Lesezeichen [ Jobs # QR-Code # Paulin ]Do 21 Nov 2024 10:55:49


 Redewendungen
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Gardinenpredigt

Es gibt sie immer noch. Sie sind einfach nicht totzukriegen. Diese Männer, die ihre Frau so zur Weißglut bringen, bis sie endlich reagiert. Bis sie endlich von ihr wahrgenommen werden. Und sei es mit einem heftigen Donnerwetter, das sich über ihnen entlädt. Am liebsten in der Öffentlichkeit. Das scheint ein ganz besonderer Genuss zu sein. Als wenn es da keine andere Möglichkeit geben würde. Da reicht ein falscher Blick, schon bricht das Gewitter los. Und ist das Gewitter abgezogen, liegen sich die beiden weinend und lachend in den Armen. Beide glücklich, die Blicke verklärt. Wer kennt das nicht. Aber muss das öffentlich sein? Schließlich müssen wir das auch mitertragen. Geradezu beispielhaft für das Beklagte ist die von Sonya Kraus moderierte und von ProSieben ausgestrahlte "Kult-Sendung talk talk talk". Eine Zusammenfassung der wöchentlichen Highlights aus internationalen Talkshows.

Wer würde dabei nicht an die gute alte Zeit denken. Als die Frauen noch wussten, was sich gehört und bestens mit Strafpredigten vertraut waren. Der Kirche sei Dank. Dort verlasen die Mönche und Priester den Gläubigen die Strafpredigten, um ihnen alles Schlechte des Lebens vor Augen zu führen. Mit erschreckenden Bildern. Dabei wurden nicht nur die Verfehlungen schwarzweiß eingefärbt, sondern sämtliche Konsequenzen in drastischen Worten beschrieben. Die sie unabwendbar für den armen Sünder zur Folge hatten. Ebenso geschah es dann auch in den eigenen vier Wänden. Hinter dem Bettvorhang, der ältesten Gardine. Kehrte der Mann in der Nacht betrunken aus dem Wirtshaus oder gar von einem anderen Weibsbild heim, wurde er hinter dem Bettvorhang mit einer gehörigen Strafpredigt in Empfang genommen. Ob sich das Ehepaar im Anschluss daran auch weinend und lachend umarmte, ist nicht überliefert.

Bei der "Gardinenpredigt" soll es sich allerdings um keine deutsche Erfindung handeln. Die stammt wohl aus England ("curtain lecture") oder den Niederlanden und soll hierzulande erst am Ausgang des 18. Jahrhunderts populär geworden sein.

* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 23.2008, S. 11.


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