Jemanden über die Klinge springen lassen
Die Redensart "Jemanden über die Klinge springen lassen" kann sich auf zahlreiche Quellen stützen und gilt gemeinhin als sehr gut belegt. Dazu zählt die Übersetzung ausgewählter Bücher des Alten Testaments aus dem Hebräischen, herausgegeben von Dominikus von Brentano (1740-1797), fortgesetzt von Thaddäus Anton Dereser (1757-1827): "28. Josua eroberte an demselben Tage Makeda, ließ alle Einwohner und den König über die Klinge springen, schonte keiner Seele, ließ Niemand entkommen, und verfuhr mit dem Könige von Makeda, wie er mit dem Könige von Jerichow verfahren war." (AT, Buch Josua 10,28)
Anders in der von der Katholischen Bibelanstalt (2009) verlegten Übersetzung. Dort wird die ebenfalls konkretisierte, die unmittelbar Betroffenen einbeziehende Redensart durch ein "mit scharfem Schwert" ersetzt: "28 Am gleichen Tag nahm Josua Makkeda ein und erschlug seine Einwohner und seinen König mit scharfem Schwert. Er weihte sie und alles, was in der Stadt lebte, dem Untergang; niemand ließ er entkommen. Mit dem König von Makkeda machte er es, wie er es mit dem König von Jericho gemacht hatte." (AT, Buch Josua 10,28)
Wiederum anders erschließt sich das ungeschminkte Wesen dieser mit dem Platzhalter "Jemanden" beliebig konkretisierbaren Redensart unter anderem mit einem Artikel aus dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Bd. 11, Sp. 1171 bis 1176, Leipzig, Mai 1873). Nämlich, was mit dieser Redensarten gemeint ist oder besser, mit der gebotenen Vorsicht, was damit gemeint sein könnte? Was sich dahinter verbirgt?
"e) aus dem kriegsleben eine andre redensart, einen (eig. den kopf) über die klinge springen (hüpfen) lassen, hinrichten, bes. standrechtlich, eig. vom enthaupten, das darin mit fürchterlichem scherz und wahrheit zugleich scharf aufgefaszt ist (springen kann urspr. auch 'tanzen' meinen), ein rechtes stück vom kriegs- und siegshumor unsrer vorfahren:
dein haupt muosz dir über ein swertsklingen hopfen. fastn. sp. 297, 21;
die im .. den kopf hetten uber ein kalte klingen lassen hüpfen. Luther 3, 46b; dasz du (Luther) die irrenden menschen (aufständ. bauern) also schumpfierest und uber die kalten klingen (wie du henkerisch darvon redest) springen kanst loszen. Ickelsamer clag etl. brüder a 2a; do mit er alle die uber kalte klingen hupfen liesz, so im mit einigem wort wider weren. b 3a; der kopf wird ihm über die klinge springen müssen. Rädlein 546a;
Kopfstain (Kufstein) thet er so schnell zwingen,
ja muszten über dclingen springen wol achtzehn.
Hormayrs taschenb. für die vaterländische gesch. 1836 s. 8;
in disem kefy (gefängnis) muostu singen,
bis du wirst uber dklingen springen. Joh. der täufer, trag. K iij;
man müszte die heupter und radleinführer über die klingen springen lassen. Schütz Preuszen (Eisl. 1599) 161; a. 1595 dar haben die Rastenburger einen ernst gebraucht an einem bösen buben, so seine eltern oftmals geschlagen hat, ihn über die klingen springen lassen. Henneberger landschaftstaf. 394; die ganze besatzung muszte über die klinge springen. auch er muszte durch die klinge laufen Stettler annal. helv. (Frisch 1, 523b), durch die klingen springen, cervices securi subjicere Schönsleder, klingen pl., wie spieszruten laufen?"
Das alles zusammen und auf den Punkt gebracht meint im Kern nicht weniger als jemanden zu töten oder hinzurichten, jemand zugrunde richten. Ist bei anderen Redensarten mit Klinge die Fechtwaffe gemeint, steht hier die Klinge als Platzhalter für das Richtschwert. Steht dafür, dass der Kopf des Hingerichteten nach dem Hieb mit dem Richtschwert tatsächlich über die Klinge, über das Richtschwert des Henkers springt. Wobei in den aus dem 15. und 16. Jh. stammenden Belegen statt des Verbs "springen" das Verb "hüpfen" bevorzugt wurde.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 09.2020, 14. Jg., S. 11.