Auf keine Kuhhaut gehen
Schon lange bevor die Menschen die Wälder abholzten, um ihren unersättlichen Hunger nach dem meist aus einem geleimten Brei von Pflanzenfasern (organischem Material) hergestellten Papier zu stillen, haben die Menschen ihre Gedanken, gewisse Ereignisse oder Verfehlungen anderer auf Pergament notiert. Pergament wird aus tierischen Häuten hergestellt, die eigens für das Schreiben bearbeitet werden. Der Platz auf dem Pergament ist naturgemäß begrenzt. Und so überrascht es nicht, dass das Pergament gerne für die Diagnose verwendet wurde; ob nämlich jemand ein echter Schurke ist. Reicht selbst der Platz auf einer Kuhhaut nicht, um die Verfehlungen eines Menschen zu notieren, handelt es sich zweifelsfrei um einen Schurken.
Der Legende nach stammt die Redewendung "auf keine Kuhhaut gehen" aus dem Mittelalter. In dieser Zeit soll der Teufel alle Verfehlungen der Menschen, beispielsweise die unzüchtigen Gedanken der Jungfrauen während des Gottesdienstes, auf einer Kuhhaut notiert haben. Das belegen bildhafte Darstellungen. So sehen wir in St. Georg auf der Reichenau in Oberzell ein aus dem 14. Jahrhundert stammendes Wandfresko mit einem Tierfell, das von vier Teufeln mit Zähnen und Klauen gehalten wird. Darauf notieren sie das Gerede von zwei Frauen, die im Gotteshaus eifrig miteinander schwatzen. Nach der mittelalterlichen Vorstellung hält der Teufel dieses Register dem Sterbenden vor. Dabei zeugt es von besonderer Schlechtigkeit, wenn die Sünden nicht einmal auf einer großen Kuhhaut Platz finden, denn in der Regel wurden nur Häute von Schafen und Kälbern für die Herstellung von Pergament verwendet.
Nun wissen wir, dass inmitten von bitterster Armut, Hungersnöten, Kriegen und Seuchen der Teufel das gemeine Volk bespitzelt hat. - Bei uns erledigt diesen Job nun das Ministerium für Staatssicherheit. Elektronisch, versteht sich. Mit seinen Trojanern. Das hat es sich bei den gewissenlosesten Schurken abgeschaut. Offenbar war doch manches ganz nützlich, was das DDR-System charakterisiert hat. Fehlen noch die Inoffiziellen Mitarbeiter. Sobald die wieder reaktiviert sind, kann auch wieder zur Hexenjagd geblasen werden. Die politische Aristokratie und den Geldadel wird es gewiss erfreuen. Das ist heutzutage keineswegs anders als früher.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 26.2008, S. 11.