Der zweite Schlag wäre Leichenschändung
Nach einer weitverbreiteten Auffassung gilt die Redewendung "der zweite Schlag wäre Leichenschändung" als "Objektiver Berliner Humor". - "Ik hau dir aus'm Anzug, det de durch de Rippen kiekst, wie der Affe aus'm Käfig." - Sehr frei übersetzt meint das: "Ein Schlag, und du stehst im Hemd da! Der zweite Schlag ist Leichenschändung!"
Im Strafgesetzbuch wird der Tatbestand der Leichenschändung als "Störung der Totenruhe" (§ 168 StGB) überschrieben. Darunter versteht man den missbräuchlichen Umgang mit den sterblichen Überresten Verstorbener, also Leichenteilen oder Asche. Dazu zählen Nekrophilie (krankhafter Drang zur sexuellen Befriedigung an Toten), grober Unfug oder der Versuch der Herabwürdigung eines Verstorbenen oder dessen Religions- oder Gruppenzugehörigkeit.
Davon weiß der Verwender der Redewendung im Zweifel allerdings nichts. Für ihn ist der Effekt wichtig. Seine Drohrede soll den Kontrahenten, den anderen einschüchtern oder völlig lähmen. Der Betroffene hat dann grundsätzlich drei Möglichkeiten: Flucht, Angriff oder sich tot stellen. Letzteres erübrigt freilich den ersten Schlag, sodass sich der irritierte Angreifer überlegen kann, ob er die Leichenschändung vollzieht oder gänzlich darauf verzichtet.
Außerhalb dieses ungesunden Milieus wird diese Redewendung zumeist nur gedanklich verwendet und mündet in die verbale Attacke, die weitaus schmerzhafter und vernichtender sein kann, beispielsweise im Berufsleben. - "Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde." Was dort geschieht, zielt auf Beschädigung der Seele des Betroffenen. Bereitet schlaflose Nächte. Erst ist es ein Schnaps vor dem Dienst, dann zwei; abends die Flasche Wein, um überhaupt schlafen zu können. Danach der Pharma-Cocktail, und die teuflischen Kollegen haben die Ziellinie nahezu erreicht. Jeder weitere Schlag gilt nun in der Tat als Leichenschändung.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 33.2008, S. 11.