Aus dem Nähkästchen plaudern
Wenn uns jemand einen Einblick in Dinge gewährt, die nicht allgemein zugänglich sind, wird das oftmals als "Aus dem Nähkästchen plaudern" bezeichnet. - Dabei kann es sich um alle möglichen und unmöglichen Dinge handeln. Beispielsweise um Firmengeheimnisse, die für die Öffentlichkeit natürlich völlig tabu sind; um Insider-Informationen zu Aktienkursen, die für die Öffentlichkeit unzugänglich sein sollten; um private Dinge, die eigentlich niemanden etwas angehen; um intime Dinge, zum Beispiel die sexuelle Orientierung; um Informationen über Dritte, die für diese sehr unangenehm werden können, sobald sie an die Öffentlichkeit gelangen, und vieles mehr. - Der Fantasie sind hier wirklich keine Grenzen gesetzt.
Früher enthielt das Nähkästchen das Handwerkszeug, um die Kleidung zu flicken oder neue anzufertigen, zum Stricken und Häkeln, wo zwischen Nadel und Faden oftmals auch manches Geheimnis verborgen lag. Das also nicht nur ein Aufbewahrungsort für Handwerkszeug war, sondern auch geeignet, um geheime Briefe oder andere persönlich Dinge vor dem prüfenden Blick des Angetrauten zu verbergen. - Außerdem existierten dazu Nähkränzchen von Frauen, bei denen Tratsch und Klatsch, Erinnerungen und manch Privates, was man besser für sich behalten sollte, ausgetauscht wurden, natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Doch sobald man jemand ein Geheimnis mitteilt, ist es kein Geheimnis mehr. Das ist bekannt.
Die Herkunft der Redewendung "Aus dem Nähkästchen plaudern" wird gemeinhin Theodor Fontanes Roman "Effie Briest" zugeschrieben, die ihre Geheimnisse, ihre geheimen Briefe in ihrem Nähkästchen versteckte, um sie vor ihrem Ehemann zu verbergen. Ein Roman, der unverblümt auf die Schattenseite der Redensart verweist, um die es hier geht: - Während Effi zu einer Kur in Bad Ems weilt, findet ihr betrogener Ehemann, der Landrat Geert Freiherr von Innstetten, im Nähkästchen Major Crampas´ verhängnisvolle Briefe, die die Affäre der beiden enthüllen. Daraufhin verstößt Innstetten seine Frau und fordert den Major zum Duell, um seine Ehre wiederherzustellen, bei dem Effis einstiger Liebhaber tödlich getroffen wird.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 10.2009, S. 11.