Sich schwarz ärgern
Es gibt Erfahrungen im Leben eines Menschen, die bleiben niemandem erspart. So wird sich jeder Mensch mindestens einmal in seinem Leben richtig "schwarz ärgern". - Aber gemach, man muss es doch nicht gleich übertreiben und daraus eine Lebensphilosophie machen. Das tun jedenfalls die Menschen, die sich bereits über die Stubenfliege an der Wand ärgern. Und natürlich ärgern sie sich am liebsten "schwarz". - Damit sind wir auch bereits bei der häufig behaupteten Herkunft dieser seit dem späten 18. Jahrhundert selbst in literarischen Werken außerordentlich beliebten Redensart, dem Verfärbungszustand der Toten. Besonders deutlich sehe man das bei dem "schwarzen Tod", bei der Beulenpest. Bei dieser furchtbaren Seuche bedecke sich der Körper des Sterbenden nämlich mit unübersehbaren schwarzen Flecken.
Eine wesentlich freundlichere Erklärung liefert uns das Chamäleon, das als Multitalent unter den Tieren gilt. Das hat einen Silberblick, kann Fliegen mit seiner Schleuderzunge erbeuten und könnte sich "schwarz ärgern", wenn das nicht auf Anhieb gelingt. Bei diesen Reptilien ändern sich situationsabhängig die Farbzellen der Haut - beispielsweise dunkel bei Gefahr, hell und farbenfroh bei der Balz. Der Farbwechsel des Chamäleons dient somit nicht nur der Tarnung, sondern auch der Kommunikation - also ganz ähnlich wie beim Menschen.
Schauen wir nun über den Tellerrand auf Europa, stellen wir fest: Auch der Spanier ärgert sich schwarz (poner negro/negra). Anders der Franzose. Der ärgert sich nämlich rot (se fâcher tout rouge) oder "raucht ohne Pfeife und Tabak" (fumer sans pipe et sans tabac), während der Italiener grün vor Ärger wird (verde dalla bile). Das reicht dem Niederländer allerdings nicht, denn der benötigt zudem einen Gelbstich (zich groen en geel ergeren). Nur dem Engländer gelingt es, sich zu ärgern, ohne die Gesichtsfarbe zu verändern. Und wie erkennen wir einen waschechten Europäer? - Na klar, der ärgert sich bestimmt in allen Regenbogenfarben.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 03.2009, S. 11.