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 Redewendungen
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Den Stab über jemanden/etwas brechen

Der Stab, um den es in der Redensart "Den Stab über jemanden/etwas brechen" geht, begegnet uns schon in der Bibel, genauer im Alten Testament. - "(1) Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. (2) Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. (3) Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. (4) Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich." (AT, Psalm Davids 23,1-4) Mit diesen sich selbst erklärenden Worten wird der Stab als Herrschaftsinstrument legitimiert und die Vorstellung vermittelt, dass Menschen gleichsam wie die Schafe ohne den Schäfer mit seinem Hirtenstab - nicht ohne den Hirten (Jesus) und dessen Stab - überleben werden.

Auch wenn den meisten Menschen das nicht bewusst sein mag, begegnen sie dieser Vorstellung samt dem unmittelbar vom Hirtenstab abgeleiteten Stab als Herrschaftssymbol auf vielfältige Art und Weise: der "Bischofsstab" (Krummstab), der "Herrscherstab" (Zepter), der "Marschallstab" und andere Variationen, etwa beim Militär der "Stabsoffizier" etc. Dort geht es freilich zumeist nicht darum, wie doch die Redensart "Den Stab über jemanden/etwas brechen" bereits unmissverständlich erahnen lässt, dass der Betroffene dem guten Hirten im biblischen Sinne begegnet, sodass ihm kein Unglück geschehe, er getröstet werde. Sondern dass er mit dem Gegenteil konfrontiert wird. Dass er mit etwas Bekanntschaft macht, das ihn abschrecken soll und die biblischen Worte in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Verwendet wird die Redensart "Den Stab über jemanden/etwas brechen", sobald es darum geht, jemanden oder etwas zu verurteilen oder zu verdammen. Die Herkunft der Redensart ist ein aus dem Mittelalter stammender Rechtsbrauch. In dieser Zeit war der Stab nicht nur ein Symbol christlicher sowie der weltlichen Herrschaft. Anders als die biblischen Worte uns glauben machen wollen, war der Stab schon immer ein Werkzeug der Züchtigung. Diente als Hirtenstab der Beherrschung anderer und der Unterdrückung. Der Stab ist seinem Wesen nach ein Herrschaftssymbol, das Machtbefugnisse legitimiert, nach außen sichtbar macht und deren rigorose Ausübung bis weit in unsere Zeit hinein oftmals zum eigenen Vorteil ermöglicht.

Im Mittelalter war der Stab auch ein Symbol und eine Legitimation der Rechtsprechung. Mit dem Aufheben des Stabs durch den Richter begann die Verhandlung, mit dem Niederlegen des Stabs war sie beendet. - Nach dem aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts stammenden "Deutschen Wörterbuch" (Leipzig 1854) der Gebrüder Jacob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) saß der mittelalterliche Richter mit einem Stab zu Gericht. Ein Rechtsbrauch sei das Brechen dieses Stabes bei Todesurteilen gewesen. Dabei habe der Richter über dem Haupt des Verurteilten den Stab gebrochen und dem zum Tode verurteilten vor die Füße geworfen mit den Worten: "Nun helfe dir Gott, ich kann dir nicht mehr helfen!" Belegt sei der Brauch seit dem 16. Jahrhundert. - Bei der Verurteilung war der verwendete Stab oftmals an einer Stelle eingekerbt. Damit sollte das Brechen gewährleistet werden, um ein Misslingen nicht als Zeichen höherer Mächte zu interpretieren, wozu die Menschen in dieser Zeit oftmals neigten. - Nach anderen Quellen ist die Verwendung der Redensart selbst seit dem 18. Jahrhundert bekannt, die vom Ergebnis her betrachtet ebenfalls verurteilt oder verdammt. Allerdings wird die Redensart "Den Stab über jemanden/etwas brechen" wohl eher als Umschreibung dessen verwendet, was beabsichtigt ist, was geschieht oder geschehen ist, die ungebrochen eine Gemeinsamkeit mit dem Rechtsbrauch aufweist, in dem sie doch tatsächlich keineswegs nur oberflächlich verwurzelt ist: "Widerspruch zwecklos!"

* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 01.2020, 14. Jg., S. 11.


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