Hieb- und stichfest
Dort saß er nun, in seiner ach so feuchten Burg. Der arme Tropf, der Ritter Kunibert. Um ihn herum zahlreiches Volk, mit Keulen und Streitäxten, mit Hieb- und Stichwaffen, mit Pfeil und Bogen, das es gar nicht gut meinte mit ihm. Was sollte er tun, in dieser Situation? Er musste sich schützen. Das war klar. Benötigt wurde eine gut geölte Rüstung. Ein Harnisch, der "hieb- und stichfest" ist. Den fertigte der Plattner. Der gehörte zur Zunft, die sich darauf spezialisiert hatte. Aber das konnte dauern. Monate, derer dreie. Damit musste der Kunibert rechnen. Der Harnisch sollte auch sitzen. Ihn nicht völlig unbeweglich machen. Damit er die Raubritter und aufmüpfige Bauern verfolgen konnte oder entfliehen, wenn sie es gar zu schlimm trieben.
Was derzeit für Soldaten gepanzerte Fahrzeuge sind, für unsere Polizisten die kugelsichere Weste, war für unseren Kunibert die hieb- und stichfeste Rüstung. Das hat der Plattner eigens getestet, bevor er die Rüstung mit dem Beschaustempel der Plattnerzunft versah. Das gehörte dazu. Und kostspielig war das. Wie Panzerfahrzeuge und kugelsichere Westen. Ungeachtet dessen soll die sogenannte Zwillingsformel "hieb- und stichfest" auf einen Zauberbrauch zurückgehen. Der machte den so Verzauberten unverwundbar. Notwendig war das allemal, denn die Ritter waren keine Chorknaben. Schon bei den Waffenübungen ging es zur Sache. Vor allem bei den beliebten Ritterspielen. Da musste man gut gerüstet sein: mit schwerem Kettenhemd, Brustpanzer, Helm. Am besten gleich mit einem kompletten Plattenpanzer.
Heute wird die Redewendung nicht anders verwendet. Was früher der Plattner, ist für uns der gut honorierte Rechtsbeistand. Wenn man ihn sich dann leisten kann. - Dann ist der Vertrag hieb- und stichfest und seine Gültigkeit durch nichts zu erschüttern. Dann schmeißt selbst der cleverste Rechtsverdreher das Handtuch in den Ring. Unangenehm sind im Strafprozess hieb- und stichfeste Indizien. Nicht widerlegbar. Schließlich muss bei der Eigentumsübertragung von Immobilien der Kauf von einem Notar beurkundet werden. So ist das hieb- und stichfest; somit ist alles unter Dach und Fach. Glaubt man. Denn das ist es in den eher seltenen Fällen.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 31.2008, S. 11.