Jemanden um die Ecke bringen
Die Redensart "Jemanden um die Ecke bringen" meint gemeinhin "jemanden töten, ihn umbringen, ermorden". Das lautlose Verschwinden des Opfers hinter der Straßenecke. Wer seine Absichten nicht allzu direkt zum Ausdruck bringen und sich einen Rückzug offen halten möchte, ist wirklich gut beraten, das alles nicht allzu ernsthaft vorzutragen. Und sei es, um bei seiner geduldigen Zuhörerschaft einen kleinen Zweifel ob seiner Ernsthaftigkeit zu säen.
Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass die Redensart aus der Ganovensprache stammt. Dort geht sie auf die alte Tradition zurück, jemand an einer dunklen Straßenecke aufzulauern, ihn in eine möglichst vorher bereits ausgespähte noch dunklere Seitenstraße zu zerren, wo er sodann ausgeraubt und ihm noch Schlimmeres angetan werden kann, wenn es unvermeidlich ist. Heute wird "Jemanden um die Ecke bringen" eher unvollständig verwendet, also meist ihre verdichtete und punktgenaue Form "Ich könnte ihn umbringen!" oder eine ähnliche Formulierung bevorzugt, in denen freilich diese Redensart immer noch fortlebt.
Die Redensart ist zwar durch die Ganoven in ein gewisses Zwielicht gerückt, könnte aber durchaus auch eine freundliche Seite aufweisen. Angenommen, ein überzeugter Pfadfinder der "Deutsche(n) Pfadfinderschaft Sankt Georg" verspricht dem Ortsunkundigen, ihn um die nächste Straßenecke auf den gesuchten Weg zu bringen. Dann steht kaum zu befürchten, dass den Gutgläubigen hinter der nächsten Ecke das Grauen erwartet. Vielmehr geht es hier um die verbriefte Tradition der Pfadfinder ("Jeden Tag eine gute Tat!"), die sich auch manch andere Zeitgenossen und Genossinnen hinter ihre ziemlich langen Eselsohren schreiben könnten.
* Autor: Dr. Franz-Josef Hücker; -- Quelle: das Akazienblatt Nr. 06.2016, S. 11.